"Wem die Stunde schlägt", "Der alte Mann und das Meer" - Ernest Hemingway ist auch heute - 60 Jahre nach seinem Tod - eine feste Größe der Weltliteratur. Weniger bekannt ist, dass er vor fast genau 100 Jahren auch den Schwarzwald bereiste. Die Zeugnisse seiner Reise geben einen lebendigen Eindruck davon, wie es sich vor dem Beginn des Massentourismus anfühlte im Schwarzwald unterwegs zu sein.
Zum damaligen Zeitpunkt lebte Hemingway als Reporter für den "Toronto Star" in Paris. Über Straßburg reiste der Autor im Sommer 1922 in den Schwarzwald, um über die Situation in Deutschland nach dem 1. Weltkrieg zu berichten und wohl auch um sich beim Angeln und Wandern eine Auszeit vom Pariser Großstadtleben zu gönnen.
Ein ersten Aufenthalt nahm der Autor in Freiburg, das auf ihn wenige Jahre nach dem Ende des 1. Weltkriegs und mitten in der Inflationskrise einen "friedlichen, glücklichen und behaglichen Eindruck" machte. Besonders auffallend: "Mütter, die ihren rosigwangigen Kindern Bier aus Halbliterkrügen zu trinken gaben."
In der Umgebung von Triberg versuchte Hemingway, eine Erlaubnis zum Angeln zu erhalten. Ohne Erfolg. Der hiesige Bürgermeister beschied seine Anfrage mit den Worten "Nix. Nein." und wies ihm die Tür. Mehr Glück hatte er in Nussbach, wo der Bürgermeister ihm mit kargen Worten das Angeln erlaubte. Hemingway und seine Frau fischten mit einigem Erfolg Forellen und genossen auch sonst den Schwarzwald. Nicht immer traf er allerdings auf uneingeschränkte Gastfreundschaft. Von einem Angelausflug in das Oberprechtal weiß er zu berichten: "Die Bauern im Oberprechtal ... waren anders. Sie kamen und jagten uns mit Mistgabeln vom Bach weg, weil wir Ausländer waren."
Auch die badische Gastronomie konnte Hemingway nicht vollständig überzeugen: "Alle diese Gasthäuser sind weiß getüncht und sehen von außen ordentlich und sauber aus, aber innen sind sie schmutzig, eins wie das andere. Die Bettlaken sind kurz, die Federbetten klumpig, die Matratzen hellrot, das Bier gut. Beim Mittagessen müssen Sie vorsichtig sein und aufpassen, dass das Stück Brot, das Sie erwischen, nicht sauer ist. "
Es hat sich in den vergangenen 100 Jahren einiges geändert im Schwarzwald. Hemingway - ein Freund des Genusses - wäre überrascht, wenn er heute in Schwarzwälder Gaststuben einkehren würde. Und auch beim Angeln müsste er nicht mehr fürchten, mit der Mistgabel weggejagt zu werden.