Irmi Schocher aus Freiburg steht vor einem Scherbenhaufen: 18 Jahre und schwanger und das kurz nach Ende des zweiten Weltkriegs. So beginnt der Schwarzwald-Roman "Kalte Herzen" von Julia Heinecke aus dem Badischen Landwirtschafts-Verlag. Ein uneheliches Kind - das kann im Leben einer jungen Frau in dieser Zeit eine Katstrophe bedeuten. Noch dazu, wenn keinerlei Chance besteht, eine langfristige Beziehung mit dem Vater des Kindes einzugehen.
Auch bei Irmi reiht sich eine Hiobsbotschaft an die nächste. Zuhause wird sie vom Vater, einem traumatisierten Kriegsheimkehrer, vor die Tür gesetzt. Ihre Arbeit muss sie aufgeben, weil der Vater des Kinder ihr Chef ist. Und in Freiburg findet sie keinen Ort, an dem sie bleiben kann. Da hat ihr Bruder eine Idee. Er hat von seiner Hirtenbubenzeit noch Kontakte zum Nonnenfeldhof im Hochschwarzwald. Dort findet sie Unterschlupf. Aber sie muss sich durchschlagen, ob sie will oder nicht. Das Leben auf dem Bauernhof ist hart. Praktisch alles wird von Hand erledigt. Schwere körperliche Arbeit ist Irmi nicht gewohnt. Zudem ist ihre Position auf dem Bauernhof als schwangere Magd alles andere als gesichert. Es ergeben sich Spannungen mit der Bäuerin. Dass ihr Kind unehelich ist, weiß das ganze Dorf.
Aber Irmi nimmt die Herausforderung an und kämpft sich ins Leben hinein. Bald zeigen sich erste Lichtstrahlen im Dunkel.
Julia Heinecke zeichnet - wie schon in ihrem Roman "Kalte Weide" - ein ungeschminktes Portrait des Schwarzwaldlebens jenseits von Romantik und Folklore. Körperliche Arbeit bis zum Umfallen war der Beitrag, den jedes Familienmitglied auf dem Bauernhof ohne Murren zu leisten hatte. Es ist gerade einmal zwei Generationen her, da waren der Wasseranschluss im Haus oder die neue Melkmaschine eine Segen für die Hofgemeinschaft. Dass der Ertrag des Hofes am Ende alle satt machte, war keine Selbstverständlichkeit.
"Kalte Herzen" gibt auch eine Idee davon, wie radikal sich unsere Werte geändert haben, gerade auch in ländlichen Regionen wie dem Schwarzwald. Heute werden in Deutschland mehr als ein Drittel aller Kinder unehelich geboren. Die allermeisten davon sind Wunschkinder und vielfach entspricht es dem Willen der Eltern, gerade keine eheliche Beziehung einzugehen. Eine Diskriminierung der Eltern oder Kinder würde heute zu Recht Empörung hervorrufen. Vor siebzig Jahren bedeutete die uneheliche Geburt den Ausschluss von Mutter und Kind aus Familie und Gesellschaft. Nicht alles war besser früher.